Favorit als Nachfolger von Benedikt XVI war auch der Italiener Tarcisio Bertone. Seine große Stunde könnte noch schlagen. Der Kardinalstaatssekretär hat in den vergangenen Jahren viele wichtige Posten mit Vertrauten besetzt und Kardinäle für sich gewonnen. Allerdings fiel der 78-Jährige in der Vergangenheit nicht immer positiv auf. Kardinal Joachim Meißner macht ihn etwa für den Umgang der Kirche mit der Williamson-Affäre verantwortlich. Auch bei den Missbrauchsfällen soll er versucht haben, die Angelegenheit unter dem Deckel zu halten.
Tarcisio Pietro Evasio Kardinal Bertone wurde am 2. Dezember 1934 in Romano Canavese geboren. Er wuchs in seinem Geburtsort in der Region Piemont als fünfter von acht Söhnen auf. Nach der Schulzeit im Jahre 1950 trat er in die Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos ein. Er studierte in Turin und Rom die Fächer Philosophie und Römisch-Katholische Theologie. Später erwarb er das Lizentiat im Fach Theologie mit einer Arbeit über Toleranz und religiöse Freiheit und wurde im Kanonischem Recht mit der Arbeit Die Leitung der Kirche im Denken von Benedikt XIV. - Papst Lambertini (1740–1758) zum Dr. jur. can. promoviert.
Tarcisio Bertone empfing 1960 das Sakrament der Priesterweihe durch Erzbischof Albino Mensa und arbeitete anschließend sieben Jahre lang als Professor für Moraltheologie an der Hochschule der Salesianer in Rom. Dort lehrte er von 1976 bis 1991 Kanonisches Recht und nahm Leitungsaufgaben in der Fakultät wahr. Er hielt Gastvorlesungen an der Lateranuniversität und wirkte als Seelsorger in mehreren römischen Pfarreien. 1991 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof der Erzdiözese Vercelli, der er bis 1995 vorstand. Die Bischofsweihe spendete ihm am 1. August 1991 sein Vorgänger im Amt, Erzbischof Albino Mensa. Mitkonsekratoren waren der Bischof von Ivrea, Luigi Bettazzi, sowie der Bischof von Casale Monferrato, Carlo Cavalla.
Von 1995 bis 2002 war Tarcisio Bertone Sekretär der Glaubenskongregation. In dieser Zeit übernahm er in Joseph Kardinal Ratzingers Auftrag teils schwierige Missionen, wie zum Beispiel den Fall Emmanuel Milingo, der zunächst in der Wiedereingliederung des Erzbischofes in die katholische Kirche endete, sowie auch die Enthüllung des dritten Geheimnisses von Fatima. Er prangerte Dan Browns Bestseller Sakrileg öffentlich an und forderte die Gläubigen auf, es nicht zu lesen. 2002 ernannte Papst Johannes Paul II. Tarcisio Bertone zum Erzbischof von Genua. Dem Kardinalskollegium gehört er seit dem 21. Oktober 2003 als Kardinalpriester mit der pro hac vice zur Titelkirche erhobenen Titeldiakonie Santa Maria Ausiliatrice in via Tuscolana an.[2] Am 15. September 2006 wurde er Nachfolger von Angelo Sodano im Amt des Kardinalstaatssekretärs. Bertone galt um die Zeit des Konklave 2005 als volksnah, aufgeschlossen und papabile. Am 4. April 2007 wurde er Nachfolger von Eduardo Martínez Somalo im Amt des Camerlengo. Die Vereidigung als Kardinalkämmerer erfolgte am 7. Juli desselben Jahres. Am 10. Mai 2008 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinalbischof von Frascati. Tarcisio Bertone wurde am 15. April 2009 im Rang eine Kollarritters in den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem aufgenommen.
Bertones kirchenrechtlich bedingtem Rücktrittsgesuch zum 75. Geburtstag wurde von Papst Benedikt XVI. nicht stattgegeben. Am 15. Januar 2010 wurde er in seinem Amt bestätigt. Zahlreiche Dokumente belegen, dass Bertone ab 1996 mit dem Fall Lawrence C. Murphy befasst war. Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit dokumentierte die Verstrickung von Bertone und veröffentlichte Ostern 2010 ein Geheimdokument. Tarcision Bertone nimmt am Konklave 2013 teil und führte nach dem Rücktritt Benedikts XVI. als Camerlengo die Amtsgeschäfte.